Einleitung

Modellmethode

Modellbildungsprozess

Unterrichtsinhalt

Simulationsumgebungen

Modellrepräsentationen

Fazit

Literatur

Modellbildung - eine didaktische Herausforderung. Joachim Wedekind


 
3. Der Prozeß der Modellbildung

Die verschiedenen Stufen des Prozesses der Modellbildung sollen zunächst an einem verständlichen Beispiel illustriert werden. Es handelt sich um das bekannte Räuber-Beute-Beispiel aus der Biologie (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Stufen des Modellbildungsprozesses und der computerunterstützten Modellbildung (Erläuterungen im Text).

Wir gehen aus von einem mentalen Modell der Lernenden über das Phänomen, basierend auf ihren Vorkenntnissen, auf Alltagswissen bzw. auf dem im Unterricht bereits vermittelten Fachwissen (Abb. 1A). Dieses mentale Modell kann verbalisiert werden. Es ist möglich, eine Beschreibung der Elemente und ihrer Beziehungen in dem System zu geben, hier etwa der Beziehungen zwischen Fried- und Raubfischen in einem aquatischen Ökosystem oder zwischen Hasen und Luchsen in der kanadischen Tundra (Abb. 1B). Auf diesen Beispielen beruhen im wesentlichen die klassischen biologischen Räuber-Beute-Modelle.

Soll ein solches Modell für Prognosen herangezogen werden, muß es formalisiert und quantifiziert werden. Dies ist der entscheidende Schritt der Mathematisierung. In unserem Beispiel werden dazu zwei gekoppelte Differential- bzw. Differenzengleichungen erster Ordnung benötigt (Abb. 1C). Dieser Gleichungstyp ist charakteristisch für dynamische Systeme. Da das Gleichungssystem nicht bzw. nur näherungsweise mathematisch-analytisch behandelt werden kann, wird es als ablauffähiges Simulationsprogramm auf dem Computer implementiert (Abb. 1D).

Mit den gewünschten Parameterwerten kann das Simulationsprogramm gestartet werden. Schließlich werden die resultierenden Ergebnisdaten interpretiert (Abb. 1E). Das Ergebnis des Vergleichs der Daten mit empirischen Befunden kann - im negativen Fall - eine Modifikation, Erweiterung oder Neuentwicklung des Modells verlangen, oder - im positiven Fall - das Modell als Grundlage weiterer Untersuchungen bestätigen.

Die Modellentwicklung wird selten in einem einzigen Schritt erfolgen. Sie erfordert in der Regel mehrere Revisionsphasen. Dies wird die Modellvalidierung genannt. Kann ein validiertes Modell in eine operable Form (z.B. eben in ein Computerprogramm) gebracht werden, können Simulations-"Experimente" durchgeführt werden.

Modelle sind nicht beziehungslos, sondern sie sind Abbilder eines ausgewählten Realitätsbereiches. Ihre Verwendung im Unterricht ist nicht auf die Vermittlung von Erkenntnissen über die Modelle beschränkt, sondern auf den Realitätsbereich selbst gerichtet. Es ist deshalb eine dauernde Bewertung der Ergebnisse in Bezug auf den Realitätsbereich notwendig und damit ein Wechsel der Betrachtungsebene Modell und Realität, d.h. ein dauernder Wechsel von Abstraktion und Konkretion. Die Analyse der Daten bekommt dadurch ihr Ziel, sie kann zu neuen Hypothesen führen und effektiviert den Bearbeitungsprozeß.

Dabei können erhebliche Schwierigkeiten und Widersprüche erfahren werden. Sie liegen unter Umständen an einer unzureichenden Interpretationsbasis, d.h. das eigene Denkmodell ist noch unfertig und noch nicht in der Lage, die neuen Informationen widerspruchsfrei zu integrieren. Die Schwierigkeitsanalyse und die Klärung der Widersprüche führen dann zu einer Verbesserung des Denkmodells. Die Widersprüche sind aber vielleicht auch in den Limitierungen des vorliegenden Simulationsmodells selbst begründet und somit nur durch eine Verbesserung des Modells zu überwinden. Das ist der Schritt von der Modellanalyse zur Modellbildung. In vielen Fällen fehlt diese ständige Verknüpfung bzw. Konfrontation experimenteller und theoretischer Arbeit. In unserem Räuber-Beute-Beispiel hat sich vielfach gezeigt, daß das klassische Modell nach Lotka und Volterra zu starke Einschränkungen besitzt und keinem realen System angemessen ist. Es gibt viele Erweiterungen, die nun auch im Unterricht erarbeitet werden können, da die Schwierigkeiten kaum bei der Ergänzung der Modellstruktur und der Gleichungssysteme auftreten, sondern bei deren Lösung. Genau diese wird aber durch die Computersimulation geliefert.

 


Simulationund Modellbnildung

Neuerscheinungen
Artikel
folgende Seite
folgende

 


© 1997 DIFF
Phone: xx49-7071-979 205
email: joachim.wedekind@uni-tuebingen.de(joachim.wedekind@uni-tuebingen.de)
Updated: Mai, 1997